GPO 2024

Städtische Diplomatie in Aktion: Das Forum of Mayors

In welcher Form kann Städtediplomatie innerhalb der Vereinten Nationen stattfinden? Paola Deda beschreibt, wie das Forum of Mayors eine zukunftsweisende Initiative darstellt, welche die Städte ins Zentrum der Arbeit der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa stellt.

Geneva Policy Outlook
5. Februar 2024
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Foto von NASA / Unsplash

Paola Deda

Die Bedeutung von Netzwerken 

Als der Russland-Ukraine-Konflikt begann, tauchten die BürgermeisterInnen der vom Krieg betroffenen ukrainischen Städte sehr viel öfter in den Nachrichten auf als alle anderen RegierungsvertreterInnen. Durch ihre größere Nähe zur Bevölkerung konnten die Stadtverwaltungen in Charkiw, Busrha, Irpin, Mykolajiw, Kyjiw und anderen Städten aus erster Hand von den Auswirkungen des Krieges auf ihre EinwohnerInnen berichten. 

Am zweiten Forum of Mayors im April 2022 nahmen sowohl der Bürgermeister von Charkiw als auch der Bürgermeister von Mykolajiw teil. Auf dieser Veranstaltung ließ auch eine Gruppe von BürgermeisterInnen aus der Region in einer improvisierten, aber eindringlichen Erklärung verlauten, dass sie den Krieg ablehnten und der Ukraine und den dortigen Städten ihre Unterstützung zusicherten. 

Dies ist nur ein Beispiel von vielen und beweist das große Interesse der BürgermeisterInnen an einer Beteiligung an der diplomatischen Maschinerie.

Ganz konkret ergab sich aus dieser speziellen Begebenheit unter anderem eine Zusammenarbeit zwischen dem Charkiwer Bürgermeister Terechow und dem Architekten Norman Foster, die schließlich zur kostenlosen Ausarbeitung eines städtebaulichen Entwicklungsplans für Charkiw durch die Norman-Foster-Stiftung führte. Der Plan steht sinnbildlich für die Vision eines „besseren Wiederaufbaus“ und enthält Pilotprojekte für ausgewählte Merkmale der Stadt: Denkmäler, Flüsse, Industrie, Wohngebäude und Wissenschaft. 

Diese Initiative befeuerte und inspirierte etliche weitere Projekte und gipfelte schliesslich im baulichen Entwicklungsplan für Mykolajiw durch die Stiftung „One Works Foundation“ sowie dem von der deutschen Regierung geförderten Projekt der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) mit dem Titel UN4UkrainianCities (UNO für ukrainische Städte). Aufgabe dieses Projekts ist es, zuerst Charkiw und Mykolajiw und später allen Städten in der Ukraine bei der Nachkriegs-Stadtplanung und der Stärkung der Resilienz zur Hand zu gehen. Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass nichts davon geschehen wäre, wenn das Forum of Mayors diese Beziehungen nicht ermöglicht hätte. 

Auf dem Weg zu einem „De-Jure“-Multilateralismus bei der UNO

Auch wenn eine Versammlung wie das Forum of Mayors zweifellos zur Zusammenarbeit und zu neuen Initiativen anregt, so ist es doch auch von erheblichem Nutzen, um lokale Behörden in die Prozesse der Vereinten Nationen einzubinden.

Auch wenn eine Versammlung wie das Forum of Mayors zweifellos zur Zusammenarbeit und zu neuen Initiativen anregt, so ist es doch auch von erheblichem Nutzen, um lokale Behörden in die Prozesse der Vereinten Nationen einzubinden.

Dieses Vorhaben bildet die Grundlage eines neuen, erweiterten Multilateralismus, mit dem beabsichtigt wird, neue Akteure, wie etwa die Stadtverwaltungen, einzubeziehen. Angesichts der Tatsache, dass die nationalen Regierungen mit der Vielfalt und Multidimensionalität in einem Zeitalter der Polykrisen zu kämpfen haben, ist ein solcher Schritt notwendig, um sich mit den drängenden Herausforderungen einer globalisierten Welt zu befassen.

Doch wie kann innerhalb der UNO eine Städtediplomatie zustande kommen, wenn es sich doch bei den Vereinten Nationen um einen zwischenstaatlichen Prozess handelt? Zwar wird die UNO als eine „Multistakeholder“-Organisation (Organisation bestehend aus verschiedenen Interessengruppen) bezeichnet, aber ihre Hauptentscheidungen werden von „Mitgliedsstaaten“ und nicht von „Städten“ getroffen. 

Auch wenn die Vorrangstellung der Mitgliedsstaaten respektiert wird, so waren an den meisten UNO-Prozessen im Laufe der Jahre doch auch andere Interessengruppen beteiligt, sei es als BeobachterInnen oder am Rande der zwischenstaatlichen Sitzungen. Dadurch wurde der Stimme der Zivilgesellschaft erfolgreich mehr Gehör verschafft, so dass die Verhandlungen für ihre wichtigen Anfragen und Ansichten geöffnet wurden. 

Was hingegen sehr viel komplizierter bleibt und worüber vermutlich weiterhin zu wenig diskutiert wird, ist die rechtliche Einbeziehung dieser Akteurinnen und Akteure in den zwischenstaatlichen Mechanismus. Durch die Einbeziehung weiterer AkteurInnen eröffnet sich eine Vielzahl an strategischen wie praktischen Überlegungen, die von der politischen Repräsentation bis hin zu den eher praktischen Aspekten der Anwesenheit und Teilnahme vieler InteressenvertreterInnen an derselben Sitzung reichen. 

Folglich kann die Einbindung nichtstaatlicher AkteurInnen, einschließlich Städten und lokalen Behörden, in UNO-Prozesse nur durch flexible und ad-hoc-Lösungen erreicht werden. Solche Lösungen müssen speziell für die Bedürfnisse eines bestimmten Prozesses entwickelt werden, und zwar auf der Grundlage prozessualer Erfordernisse und der dafür relevanten AkteurInnen. 

Das Forum of Mayors hat Wachstumspotenzial

Das Forum of Mayors wurde im Rahmen der UNECE-Kommission für städtische Entwicklung, Wohnungswesen und Stadtplanung (CUDHLM) ins Leben gerufen. Das Forum entstand als nachgeordnetes Organ der Kommission, an dem die BürgermeisterInnen in eben dieser Funktion und nicht als Teil einer nationalen Delegation oder als BeobachterInnen teilnehmen. Das Forum wurde geschaffen, damit sich BürgermeisterInnen an der Arbeit der UNECE beteiligen und sich über ihre strategischen Pläne, Maßnahmen und Initiativen zur Bewältigung lokaler, regionaler und globaler Herausforderungen, wie etwa die Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) auf lokaler Ebene, austauschen können. Ein wichtiges Ziel besteht darin, „zur Förderung eines stärkeren, besser vernetzten und inklusiven multilateralen Systems“ für Kohärenz und Komplementarität zwischen den lokalen, regionalen und globalen Ebenen zu sorgen. Die Beiträge der BürgermeisterInnen sind in diesem Zusammenhang von unschätzbarem Wert, da sie nicht nur ihre eigenen Meinungen, sondern auch ihre konkreten Empfehlungen und Verpflichtungen eingebracht haben. 

Ein typisches Beispiel dafür ist die die Genfer Erklärung der BürgermeisterInnen aus dem Jahr 2020. Dieses Dokument benannte die Hauptziele für nachhaltige Städte in der Region und stellte eine Verpflichtungserklärung der BürgermeisterInnen zur Erreichung dieser Ziele dar.  

Bei der Erklärung handelte es sich um das erste Dokument, das von BürgermeisterInnen in einem multilateralen Kontext als aktiver und verbindlicher Bestandteil zwischenstaatlicher Prozesse verabschiedet wurde. Alles in allem besteht der Hauptnutzen des Forums aber weiterhin in dessen Rolle als Plattform, über die sich Städte über ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Lösungen von gemeinsamen Herausforderungen austauschen, diskutieren, vergleichen und lernen können. 

2023 beinhaltete das Forum auch ein interregionales Segment, das die Teilnahme von Städten außerhalb der UNECE-Region ermöglichte und erleichterte. Damit wurde der Tatsache Rechnung getragen, dass die größten Herausforderungen, vor der Städte stehen, wirklich globaler Natur sind. Eine solche Erweiterung des Forums über seine ursprünglichen Grenzen hinaus ist ein Beleg dafür, dass das Forum offizielle und inoffizielle Beziehungen mit anderen in Genf ansässigen internationalen UNO-Prozessen pflegen könnte. Auch besteht beim eigentlichen Schwerpunkt des Forums die Möglichkeit, den aktuellen Fokus auf urbane Entwicklungs- und Planungsangelegenheiten künftig auf andere Entwicklungsaspekte und die SDGs auszuweiten.

Die internationale Gemeinschaft in Genf sollte das derzeitige Format prüfen und darüber diskutieren, wie sich das Forum of Mayors auf lange Sicht weiterentwickeln und wachsen könnte.

Mit Blick auf das Jahr 2024 und die nähere Zukunft befindet sich das Forum noch immer in der Anfangsphase und versucht, seine mögliche globale Rolle und Wirkung zu definieren und zu verstehen. Erwähnenswert ist dabei jedoch, dass die 2024er Auflage des Forums als „Städtezukunftsgipfel“ gilt, weil sie eine Woche nach dem Zukunftsgipfel abgehalten wird, einer Versammlung von Staats- und RegierungschefInnen in New York, auf dem darüber diskutiert wird, wie man raschere Fortschritte hin zu einer gerechteren, friedlicheren und nachhaltigeren Welt erzielen könnte. Das Forum of Mayors wird sich mit den Ergebnissen des – im Zukunftspakt zusammengefassten – New Yorker Gipfels befassen und prüfen, welche Möglichkeiten der Pakt den Städten und kommunalen Behörden bietet, um einen Beitrag zur globalen Entwicklung zu leisten. Dieser weitgesteckte Rahmen für das Forum 2024 hebt hervor, welches Potential dieses Gremium hat, um die Lokalisierung aller SDGs in einem Dialog auf breiter Ebene anzusprechen, der die BürgermeisterInnen ins Zentrum der globalen Agenda rückt. Die internationale Gemeinschaft in Genf sollte das derzeitige Format prüfen und darüber diskutieren, wie sich dieses Gremium, das derzeit noch von geringer Größe und geringem Umfang ist, auf lange Sicht weiterentwickeln und wachsen könnte. 2024 werden die BürgermeisterInnen ausprobieren, wie sich das Forum in der Zusammenarbeit mit nationalen Behörden weiter nutzen lässt: Die Gelegenheit des Städtezukunftsgipfels sollten alle in Genf ansässigen UNO-Organisationen nutzen, da die Diskussionen weit über städtische Entwicklung hinausgehen und aufzeigen, wie ein neuer Multilateralismus, der auch die Städte umfasst, in der Praxis funktionieren kann. 


Über den Autor

Paola Deda ist die derzeitige Direktorin der Abteilung für Wälder, Land und Wohnungswesen bei der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen in Genf.  

Disclaimer
Die in dieser Publikation zum Ausdruck gebrachten Meinungen sind die der Autoren. Sie geben nicht vor, die Meinungen oder Ansichten des Geneva Policy Outlook oder seiner Partnerorganisationen wiederzugeben.