GPO 2024

Leitartikel: Der Geneva Policy Outlook 2024

Geneva Policy Outlook
5. Februar 2024
9 Minuten lesen
© OHCHR/Pierre Albouy

Achim Wennmann

Als Finger am Puls des weltpolitischen Geschehens in Genf umfasst der Geneva Policy Outlook 2024 (GPO24) eine Auswahl an Artikeln, die zum Nachdenken anregen und praktische Impulse für die internationale Zusammenarbeit und Global Governance liefern sollen. Er stützt sich auf die zahlreichen Gespräche, die im Laufe des Jahres mit politischen EntscheidungsträgerInnen des Internationalen Genf geführt wurden, das als globaler Knotenpunkt für die Bewältigung von Herausforderungen durch Kooperation, Dialog und Verhandlungen dient. Der GPO24 hat zwar nicht den Anspruch, alle politischen Themen abzudecken, verdeutlicht aber die „can-do“ Mentalität in Genfs politischen Zirkeln.

Der GPO24 verdeutlicht die „can-do“ Mentalität in Genfs politischen Zirkeln.

Diplomatie in Zeiten wechselnder Konstellationen

Das wichtigste Thema, das sich für 2024 abzeichnet, ist die Notwendigkeit, die Diplomatie so anzupassen, dass sie systemimmanente Herausforderungen mit mehr Flexibilität und mehr Pragmatismus angeht. Klimawandel und Umweltzerstörung, demografischer Wandel, Geopolitik, Atomwaffen und technologische Revolutionen bedrohen allesamt das Überleben der Menschheit. In diesem Zusammenhang betont David Harland, dass sich die Diplomatie auf eine Interessenhierarchie für das menschliche Überleben einigen sollte. An die Diplomatie werden höhere Erwartungen beim Umgang mit den Spannungen zwischen pragmatischen Kompromissen und der Beibehaltung normativer Ansprüche gestellt werden. „Wir leben in einem Zeitalter wechselnder Konstellationen: Länder, die bei einem Thema kooperieren, können bei einem anderen konkurrieren und sich bei einem dritten im offenen Konflikt befinden. (...) Dies ist weder „gut“ noch „schlecht“, sondern spiegelt lediglich wider, wie die Welt zurzeit funktioniert“, schreibt Harland. Regierungen müssen ihr Instrumentarium erweitern, um mit dieser Ambivalenz umzugehen, zum Beispiel, indem sie vermehrt auf „hybride Diplomatie“ setzen, in die nichtöffentliche Diplomatie-AkteurInnen einbezogen werden, um so Fortschritte in Verhandlungen zu ermöglichen, die in offiziellen Prozessen blockiert sind. Das Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine ist ein Beispiel für diese Art der Diplomatie.

Jamil Chade richtet den Fokus auf einen bedeutenden Moment, als die Diplomatie eine neue Ära der Global Governance einläutete: die Verhandlungen des BRICS-Gipfels 2023 in Südafrika. In der Schlusserklärung werden die „rechtmäßigen Ansprüche“ Südafrikas, Indiens und Brasiliens auf einen permanenten Sitz im UN-Sicherheitsrat anerkannt. Der BRICS-Gipfel verstärkte auch seine Zusammenarbeit, um die Vorherrschaft des US-Dollars in der internationalen Finanzwirtschaft zu brechen. Chade prognostiziert, dass die BRICS-Gruppe – ähnlich wie die G7 – zu einer wichtigen Plattform für die politische Koordinierung werden wird, was bei einer breiten Palette an Themen Folgen für die Verhandlungen in Genf haben wird. Doch „sind die in Genf ansässigen internationalen Institutionen bereit, mit einer größeren Vielfalt an Positionen umzugehen, die aus einem nicht westlichen Weltbild herauswachsen?” 

Claire Somerville streicht heraus, wie in Genf bereits eine neue Diplomatie in Form von „Anti-Gender“- und „Anti-Menschenrechts“-Koalitionen Einzug gehalten hat. Sie argumentiert, dass „geschlechtsbezogene Themen zu einem leichten diplomatischen Ziel und eine Eingangstür zur Aushebelung des konsensbasierten Multilateralismus werden“ können. Für Gleichberechtigungs- und MenschenrechtsvertreterInnen steht viel auf dem Spiel, wenn die Menschenrechte von Frauen, Mädchen und geschlechtlichen Minderheiten zum geopolitischen Verhandlungsgegenstand werden. Die Ausnutzung von Normen als Waffe zur Schwächung des Multilateralismus und die Anwendung von Souveränitätsklauseln (anhand derer Staaten die Freiheit beanspruchen, auf Grundlage der nationalen Souveränität von internationalen Regeln oder Normen abweichen zu dürfen) verdienen stärkere Beachtung durch alle Länder, die an der Beibehaltung eines funktionierenden multilateralen Systems interessiert sind und Rückschritte bei geschlechtsbezogenen und anderen Themen verhindern wollen. 

Multilaterale Verhandlungen voranbringen

Trotz dieser Herausforderungen finden in Genf Verhandlungen und diplomatische Prozesse statt, wenngleich im langsamen Tempo des Multilateralismus. Dies spiegelt die vielfältigen technischen Schwierigkeiten und das Spektrum der daran beteiligten Positionen wider. 

Suerie Moon ietet einen Ausblick auf die Verhandlungen über ein Regelwerk zum Umgang mit Pandemien und hebt drei große Hindernisse für 2024 hervor: geteilte Meinungen über den Inhalt, Uneinigkeit über die Form, die solche Regularien annehmen sollen (sowohl ein Abkommen als auch eine Verordnung, ein Abkommen oder eine Verordnung oder zwei Verordnungen), und über den Prozess, mit dem ein gemeinsamer Nenner gefunden werden soll. Abschließend meint Moon: „Die Welt braucht dringend bessere Regularien zum Umgang mit Pandemien, doch der Weg dorthin war noch nie so steinig“. Es deutet alles darauf hin, dass die laufenden Verhandlungen weit über den für Mai 2024 angesetzten Stichtag andauern werden. Verhandlungen über bestimmte Themen, die von kleineren Gruppierungen vorangetrieben werden, könnten eine Möglichkeit zur Aushandlung eines Kompromisses darstellen, doch ginge das mit dem Risiko einher, dass die Verhandlungen aufgesplittet werden. Dies würde die sinnvolle Beteiligung kleinerer Delegationen einschränken.

Im Bereich des internationalen Handels müssen sich die WTO-Mitglieder einer Entscheidung stellen: „entwickelt euch weiter, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen, oder rutscht an die Peripherie der Global Governance“. Daniel C. Esty, Trevor Sutton, Joel Trachtman und Jan Yves Remy führen Argumente für eine Reform der WTO an, die sich „dafür einsetzen sollte, das weltweite Handelssystem für eine nachhaltige Zukunft wieder in Gang zu bringen“. Schließlich können „viele der drängendsten Probleme, denen die menschliche Zivilisation aktuell gegenübersteht, nicht ohne den Handel – und dessen Fähigkeit, innovative Ideen, Technologien, Dienstleistungen und Infrastrukturen mit hoher Geschwindigkeit und auf breiter Basis auf der ganzen Welt zu verbreiten – gelöst werden“. Die Autoren fassen die Ergebnisse einer Konsultation zum Villars-Rahmenwerk für ein nachhaltiges Handelssystem (dt.: Villars-Rahmenkonzept für ein nachhaltiges Handelssystem) zusammen, das „darauf ausgelegt ist, die WTO und andere multilaterale Handelsinstitutionen zu diesem Zweck für das 21. Jahrhundert fit zu machen“. Die WTO-Nachhaltigkeitsagenda wird jedoch fortwährende Gespräche mit Skeptikerinnen und Skeptikern erfordern, die diese Agenda als eine versteckte Handels- und Technologie-Förderagenda betrachten. Folglich wird 2024 ein wichtiges Jahr, um einen Konsens über die Rolle des Handels bei der Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft herbeizuführen. 

Ching Wei Sooi bietet einen einzigartigen Blick auf den Bereich der Weltraum-Governance in Genf. Bei der Abrüstungskonferenz ist Weltraumsicherheitsdiplomatie zu einem wichtigen Thema geworden, speziell mit Fokus auf die Verhinderung eines Wettrüstens im All. Es besteht eine klare Notwendigkeit für „eine ethische Rahmenordnung, welche die friedliche Nutzung und Erkundung des Weltraums regelt“. Staaten entwickeln sogenannte „counter-space” Technologien, oder „Fähigkeiten, Techniken oder Wirtschaftsgüter, die gegen andere Weltraumobjekte oder eine Komponente eines Weltraumsystems eingesetzt werden können, um diese absichtlich abzulenken, zu behindern, zu schwächen, reversibel oder irreversibel zu beschädigen oder zu zerstören, um dadurch Vorteile gegenüber einem Gegner zu erlangen“. Angesichts der Vielfältigkeit der im Bereich Weltraumsicherheit relevanten Akteurinnen und Akteure in Genf – angefangen bei internationalen Organisationen bis hin zu einem wachsenden Weltraumforschungs- und -industriesektor – sind die Schlüsselaufgaben für 2024 wie folgt: weiter an einem gemeinsamen Sprachgebrauch zu arbeiten und vertrauensbildende Prozesse zu fördern, um so Möglichkeiten zur Zusammenarbeit und Regulierung in diesem sensiblen Bereich zu erkunden.

Roxana Radu macht sich Gedanken zum aktuellen Patchwork der KI-Regulierung und der Rolle des Internationalen Genf. Radu hebt den politischen Kontext des geopolitischen Wettbewerbs und wichtiger anstehender Wahlen als Schlüsselfaktoren hervor, die den Kontext der KI-Governance prägen. Ein weiterer Faktor ist die „Suche nach einem System der gegenseitigen Kontrolle, mit dem der nie zuvor dagewesenen Macht einiger weniger Akteure in der KI-Industrie entgegengewirkt werden soll“ . Genfs Rolle bei der KI-Regulierung kann auf einer kritischen Masse an Organisationen aufbauen, die sich schwerpunktmäßig mit Normung und internationalem Recht befassen. Auch kann Genf zur Entwicklung eines gemeinsamen Vokabulars beitragen, das diverse Gemeinschaften und Rechtssysteme abdeckt, die für eine sinnvolle KI-Regulierung relevant sind – ein Argument, das auch schon weiter oben bei der politischen Kontrollierung und Steuerung der Weltraumsicherheit angebracht wurde. Andere Bereiche, in denen Beiträge geleistet werden könnten, wären der Schutz nichtdigitalen Wissens und das Einspannen der akademischen Welt – einschließlich der Natur- und Sozialwissenschaften – bei Belangen der KI-Regulierung. 

Reaktionen auf Krieg 

Eine der Kernfragen für 2024 ist, wie Diplomatie für die Prävention, Eindämmung und Lösung gewaltsamer Konflikte von Bedeutung bleiben kann.

Angesichts der Kriege in der Ukraine und im Gaza-Streifen und mindestens 100 weiterer gewaltsamer Konflikte, die zur gleichen Zeit andernorts ausgetragen werden, lautet eine der Schlüsselfragen für das Jahr 2024, wie die Diplomatie für die Verhütung, Abschwächung und Lösung gewaltsamer Konflikte relevant bleiben kann. Das GPO24 bietet drei Ansichten darüber, was von Genf aus getan werden könnte. 

Andrew Clapham betont die Rolle der Menschenrechte bei der Festlegung der Pflichten von Konfliktparteien sowie auch bei der Schaffung von Foren, die deren Einhaltung überwachen. Er erklärt, dass „der UN-Menschenrechtsrat seine Überwachungsrolle in Kriegszeiten verstärkt“ hat und dass es heutzutage „undenkbar scheint, dass skrupellose Gewalt, Zerstörung, massive Mobilmachungen und Bombardierungen im Rahmen von Kriegen wie denen in der Ukraine und im Gaza-Streifen keine eingehende Untersuchung durch die UN-Menschenrechtsmaschinerie nach sich ziehen würden“. Somit bieten die Menschenrechte über die übliche Verweisung auf die Genfer Konventionen und das humanitäre Völkerrecht hinaus ein zusätzliches Instrument, um die Zivilbevölkerung in Kriegszeiten zu schützen. „Die Zeit ist reif für eine ernsthafte Diskussion über die Herausforderung, die ein Krieg für das Genießen der Menschenrechte darstellt“, und 2024 sollte Fortschritte auf dem Weg zu einer „Agenda zum Schutz der Menschenrechte im Krieg“ sehen, argumentiert er.

Mark Zeitoun, Natasha Carmi, Laura Turley und Mara Tignino betrachten den Krieg im Gaza-Streifen durch die Brille des Wassers. Sie postulieren: „Wasser ignoriert die von PolitikerInnen und GeographInnen in einem Gebiet festgelegten Grenzen sowie jeden Versuch, den sie unternommen haben, um die dort lebenden Menschen auseinander zu bringen.“ Die Verfasserinnen und Verfasser unterstreichen auch, wie wichtig es ist, auf einen besonderen Schutz von Wassersystemen in den Kriegsregeln hinzuwirken. Dieser Artikel ist bezeichnend für die Aussichten der – von David Harland oben erwähnten – „hybriden Diplomatie“, wobei bestimmte Themen die Chance bieten können, die kämpfenden Parteien mit einzubeziehen oder Zugang zu Konfliktzonen zu erhalten. Die Fülle an fachlicher Kompetenz innerhalb der Vielzahl an Organisationen in Genf – einschließlich der Privatwirtschaft – ist ein erheblicher Pluspunkt zur Förderung der „hybriden Diplomatie“.

Basierend auf einem Überblick über Krisenmanagement und Konfliktlösungsbemühungen in der Ukraine argumentiert Fred Tanner, dass in Genf ansässige Organisationen selbst in Zeiten eines umfassenden Krieges eine Rolle sowohl bei der politischen und humanitären Vermittlung als auch beim Wiederaufbau zu spielen haben. Die Erfolgsbilanz von International Geneva bietet eine solide Grundlage für die Bewältigung der Folgen des anhaltenden Krieges in der Ukraine im Jahr 2024. Die Eskalation der geopolitischen Spannungen zwingt die Genfer Akteure dazu, mit einem erhöhten Bedarf an Vermittlung, humanitärer Hilfe, Wiederaufbau und der Ausrichtung von Friedensgesprächen zu rechnen. Durch das proaktive Ergreifen solcher Schritte möchte das Internationale Genf besser vorbereitet und positioniert sein, um der sich verändernden und turbulenten Welt im Jahr 2024 gerecht zu werden.

Hin zu einem neuen Multilateralismus?

Der GPO24 zeigt vier Beispiele auf, wie die multilaterale Diplomatie flexibler auf systemische Herausforderungen reagieren kann.

In den vergangenen zwei Jahrhunderten hat sich die multilaterale Diplomatie hauptsächlich durch die Handhabung und Festschreibung von Beziehungen zwischen Staaten herausgebildet. Auch wenn die offizielle Entscheidungsfindung in multilateralen Organisationen noch immer von Staaten kontrolliert wird, so erfordert die Arbeit zur Lösung globaler Probleme eine viel breitere Palette an AkteurInnen. In den vergangenen Jahrzehnten war Genf ein Versuchslabor für einen besser vernetzten und inklusiveren Multilateralismus, der darauf abzielt „Dinge zu erledigen“. Der GPO24 beleuchtet vier Beispiele dafür, wie multilaterale Diplomatie bei der Reaktion auf systemimmanente Herausforderungen agiler werden kann.

Filippo Grandi befasst sich mit dem Globalen Flüchtlingsforum (GFF) 2023 und wie es ein Indikator für einen neuen Multilateralismus mit drei Hauptmerkmalen sein könnte: eine Bewegung, die sich „für Frieden, Mitgefühl und Humanitarismus“ engagiert, ein bereichsübergreifender Ansatz, der „grundverschiedene Instanzen dazu anregt, sich bei Themen zusammenzuschließen“, und ein „Minilateralismus“, der den Schwerpunkt auf die fortlaufende Arbeit regionaler Gremien in bestimmten Vertreibungssituationen legt. Das GFF war der Punkt, an dem diese Merkmale zusammen kamen, und deshalb unterstreicht es auch, dass große Konferenzen, die Hunderte von Akteuren und Tausende von Teilnehmenden an einen Tisch bringen, ein wichtiger Bestandteil eines neuen Multilateralismus bleiben. Das Resultat des GFF waren „[...] über 1600 Zusicherungen von Staaten, Unternehmen, NGOs, flüchtlingsgeführten Organisationen, Wohltätigkeitsorganisationen, Städten, Finanzinstitutionen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Universitäten, Glaubensgruppierungen und vielen anderen“. In einer Welt fortwährender Kriege und anhaltenden Elends schlägt Grandi drei Arbeitsrichtungen vor, um diese Zusagen in die Tat umzusetzen: die Beseitigung der Fördermittelknappheit im humanitären Sektor, den Aufbau von mehr Resilienz in den vom Ausbruch eines Katastrophenfalls betroffenen Bevölkerungsgruppen und eine gesamtheitliche und menschenfreundliche Sicht auf Vertreibung.

Paola Deda präsentiert die Erfahrungen des Forum of Mayors im Rahmen der Kommission für städtische Entwicklung, Wohnungswesen und städtebauliche Planung der UNO-Wirtschaftskommission für Europa (UNECE). Diese Arbeit baut auf der deutlichen Forderung von BürgermeisterInnen nach einem „offiziellen Raum zur inoffiziellen Interaktion mit anderen Akteurinnen und Akteuren“ und „inoffiziellen Mitteln und Wegen zum Austausch von Ansichten, die sich auf offizielle Entscheidungen auswirken“ auf. Das Forum of Mayors betont, wie wichtig die Erfahrung von Stadtregierungen ist, „um die drängenden Herausforderungen einer globalisierten Welt anzugehen“, und wirft die Frage nach dem „zu wenig diskutierten“ Thema der de jure Einbeziehung von Städten und lokalen Behörden in die zwischenstaatliche Maschinerie auf. Das noch immer in der Anfangsphase befindliche Forum hat sich zu einem Mechanismus für den Austausch zwischen staatlicher und städtischer Diplomatie entwickelt und bietet eine Möglichkeit, „mit den in Genf ansässigen internationalen UNO-Prozessen offizielle und inoffizielle Beziehungen“ zu pflegen.   

Marie-Laure Schaufelberger beleuchtet die Rolle der Finanzwirtschaft in der globalen Koalition, welche die Richtung und das Tempo für eine resiliente und nachhaltige Wirtschaft prägt. Schaufelberger legt dar, dass „die Umstellung auf eine widerstandsfähigere Wirtschaft weitaus mehr Investitionen erfordert als heute, was voraussetzt, dass diejenigen, die das Kapital bereitstellen, ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft neu definieren müssen“. Möglichkeiten für Maßnahmen in dieser Richtung beinhalten die Bereitstellung von Kapital an Firmen, „die Technologien und Dienstleistungen entwickeln, mit denen der Druck auf Ökosystemtleistungen verringert und eine Kreislaufwirtschaft aufgebaut wird“ und an Firmen, die sich an wissenschaftsbasierten Umweltschutzzielen ausrichten. Außerdem können und sollten sich InvestorInnen für Veränderungen einsetzen. Sie fügt hinzu, dass „Climate Action 100+, eine gemeinschaftliche InvestorInnen-Initiative, die finanzielle Unterstützung in Höhe von 68 Billionen USD an Vermögenswerten zusammengetragen hat, um die 170 größten kommerziellen TreibhausgasemittentInnen der Welt in die Pflicht zu nehmen“, ein gutes Beispiel für dieses neue Modell ist. Ein weiteres Beispiel ist die Building-Bridges-Bewegung, bei der die Förderung der Nachhaltigkeitsziele ein wichtiges Element in der Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen dem UNO-System und dem Finanzsektor darstellt. 

Die Fähigkeit, konkrete Probleme zu lösen, wird zu einem immer bedeutenderen Merkmal eines glaubhaften Multilateralismus. Christopher Fabian reflektiert die Erfahrungen beim Kombinieren von Blockchain-Technologie, finanzieller Innovation und multilateraler Regulierung, um „jede Schule auf der Welt ans Internet anzuschließen und die restlichen 2,6 Milliarden Menschen ohne Internet-Anschluss online zu bringen”. Fabian hebt hervor, dass Genf in Anbetracht seiner starken Präsenz von Regierungsvertretungen und seiner Erfahrung mit öffentlich-privaten Partnerschaften ein nützliches Fundament für einen lösungsorientierten Multilateralismus bietet. Ein weiterer Punkt ist die visionäre Regulierung des Blockchain-Sektors in der Schweiz. Elemente zur Förderung eines solchen aktionsorientierten Multilateralismus beinhalten die Schaffung von Experimentierräumen und Strategien zur Gewinnung von Talenten, die in der Lage sind, über die fachlichen Grenzen von Technik, Finanzwirtschaft, Regierung und akademischer Welt hinweg zusammen zu arbeiten.  

Die Beiträge des Geneva Policy Outlooks 2024 und der Gedankenaustausch zwischen politischen Entscheidungsträgern in den letzten 12 Monaten haben mehr Fragen als Antworten aufgeworfen. Darum schließen Gabriel Gomes Couto, Swetha Ramachandran, Léna Rieder-Menge, Achim Wennmann und Xinyu Yuan – Ihr Redaktionsteam – den GPO24 mit einer Liste von „Fragen für 2024“. Ziel ist es, Diskussionen darüber anzuleiten, wie sich Genf als ein globaler Knotenpunkt an eine sich rapide verändernde Welt anpassen muss.


Über den Autor

Dr. Achim Wennmann ist Redakteur des Geneva Policy Outlook im Rahmen seiner Tätigkeit als Direktor für strategische Partnerschaften am Geneva Graduate Institute.

Disclaimer
Alle Publikationen des Geneva Policy Outlook 2024 sind persönliche Beiträge der Autoren und spiegeln nicht notwendigerweise die Ansichten der Institutionen wider, die sie vertreten, noch die Ansichten der Republik und des Staates Genf, der Stadt Genf, der Fondation pour Genève und des Geneva Graduate Institute.