GPO 2023

Über die Umsetzung des neuen Globale Rahmenabkommens zu Biodiversität

Der im Dezember 2022 in Kunming und Montreal vereinbarte Globale Rahmen für die biologische Vielfalt bietet einen Fahrplan für die Bekämpfung des weltweiten Verlusts der biologischen Vielfalt. Um die Biodiversitätsziele bis 2030 zu erreichen, müssen zwei wesentliche Voraussetzungen erfüllt sein: nachhaltige Finanzierung und sektorübergreifende Beteiligung.

Geneva Policy Outlook
30. Januar 2023
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Foto von Alenka Skvarc / Unsplash

Sonia Peña Moreno

Die biologische Vielfalt ist von grundlegender Bedeutung für das menschliche Wohlergehen, eine gesunde Erde und wirtschaftlichen Wohlstand für alle Menschen und auch für ein gutes Leben im Gleichgewicht und in Harmonie mit Mutter Erde. Wir sind für Nahrung, Medizin, Energie, saubere Luft und Wasser, Sicherheit vor Naturkatastrophen sowie Erholung und kulturelle Inspiration auf sie angewiesen, und sie unterstützt alle Lebenssysteme auf der Erde.“

Das ist der erste Absatz des Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework, das am Ende der seit langem erwarteten 15. Sitzung der Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD COP15) , auch bekannt als Weltnaturkonferenz, im Dezember 2022 verabschiedet wurde.

Obwohl die Natur die Grundlage der Weltwirtschaft bildet und bis zu 50% des globalen BIP mit der Natur und der biologischen Vielfalt verbunden sind, nimmt diese so schnell wie noch nie in der Geschichte der Menschheit ab. In den letzten Jahrzehnten hat die Erde Rekordtemperaturen erlebt, die sich auf die Ökosysteme und die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen weltweit auswirken. Naturkatastrophen nehmen an Häufigkeit und Intensität zu und haben erdrückende Auswirkungen auf Menschenleben und hohe wirtschaftliche Kosten. Hinzu kommt, dass die COVID-19-Pandemie Länder zum Stillstand gebracht, Gesundheitssysteme gefährdet, Millionen von Todesopfern auf der ganzen Welt verursacht, Volkswirtschaften und Arbeitsplätze vernichtet, die Armut verschärft und letztlich unser gestörtes Verhältnis zur Natur offenbart hat. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass die Erwartungen an die COP15 hoch waren und die Verabschiedung eines ehrgeizigen Abkommens gefordert wurde, um diesen gefährlichen Abwärtstrend umzukehren.

Der Rahmen bietet einen Fahrplan, der darauf abzielt, Maßnahmen zu erleichtern, zu ermöglichen und zu finanzieren, die notwendig sind, um dem Verlust der biologischen Vielfalt entgegenzuwirken und uns alle auf den Weg der Erholung und der Verwirklichung der 2050 Vision eines Lebens im Einklang mit der Natur zu erreichen.

2023 wird die Dringlichkeit dazu nicht abnehmen. Doch haben wir heute das Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework (GBF) um uns zu leiten. Die Rahmenvereinbarung enthält einen Plan, um notwendige Massnahmen zu vereinfachen, zu ermöglichen und zu finanzieren, um dem Verlust der biologischen Vielfalt entgegenzuwirken und uns dabei zu unterstützen, die Vision für 2050, im Einklang mit der Natur zu leben zu verwirklichen. Die Vereinbarung ist ausgewogen, nachdem in den letzten vier Jahren komplizierte und strittige Verhandlungen geführt wurden. Im Laufe dieses Prozesses wurden virtuelle Zusammenkünfte, Treffen und Diskussionen zwischen den Parteien, und intensive Konsultationen auf Ministerebene in Montreal geführt. Gegen Ende der COP intervenierte der chinesische COP-Vorsitz und schlug ein Paket vor, dem alle Delegationen zustimmen konnten.

Das sind die wichtigsten Inhalte des Pakets: Erstens werden im GBF selbst die vier Ziele für 2050 und die dreiundzwanzig Aktionsziele für 2030 genannt, mit denen Massnahmen zur Lösung der Krise der biologischen Vielfalt vorangetrieben werden sollen. Zweitens: Indikatoren zur Verfolgung des Umsetzungsfortschritts, die im Monitoring Framework (Überwachungsrahmen) enthalten sind. Drittens: eine Strategie zur Mobilisierung von Ressourcen, die ab 2023 im Zweijahresrhythmus einen flexiblen Rahmen für den Einsatz von Finanzmitteln aus allen Quellen zur Umsetzung der Aktionsziele vorschlägt, wobei die nationalen Gegebenheiten berücksichtigt werden. Viertens: eine Entscheidung über die Nutzung digitaler Sequenzinformationen über genetische Ressourcen (DSI) und die Einrichtung eines multilateralen Mechanismus zur Aufteilung der (monetären und nicht-monetären) Vorteile, die sich aus der Nutzung der DSI ergeben. Die Entscheidung über das DSI gilt als wichtiger Meilenstein im Prozess des Übereinkommens, da sie die technologischen Fortschritte in diesem Bereich und die Notwendigkeit einer Anpassung des Übereinkommens an diese Fortschritte anerkennt und sowohl für Industrie- als auch für Entwicklungsländer Klarheit über die Modalitäten des Vorteilsausgleichs schafft. Fünftens: ein Beschluss über Kapazitätsaufbau und Entwicklung. Darin wird ein langfristiger strategischer Rahmen für den Aufbau von Kapazitäten festlegt, der dem auf nationaler Ebene ermittelten Bedarf entspricht, um die Umsetzung des GBF voranzutreiben. Und sechstens verfolgt die COP einen mehrdimensionalen und verstärkten Ansatz für Planung, Monitoring, Berichterstattung und Überprüfung.

Mit Blick auf die Aichi-Biodiversitätsziele des letzten Jahrzehnts betrachten einige die neuen Kunming-Montreal-Ziele als "SMART-ER", was bedeutet, dass sie spezifischer, messbarer, erreichbarer, relevanter und zeitgebundener sind. Nur die Zeit wird zeigen, ob diese neuen Ziele wirksame, konkrete und schrittweise Massnahmen auf nationaler und globaler Ebene ermöglichen, um die Krise der biologischen Vielfalt bis 2030 zu bewältigen, eine Erholung und Wiederherstellung bis 2050 zu erreichen und so langfristig den Weg für eine naturfreundliche Welt zu ebnen.

Klar ist, dass 2023 das Jahr sein muss, in dem wir das Blatt wirklich wenden, die festgefahrenen nationalen Positionen, die die Verhandlungen geprägt haben, hinter uns lassen und zügig zur Umsetzung übergehen.

In der Zwischenzeit ist klar, dass wir 2023 das Blatt wenden müssen, die festgefahrenen nationalen Positionen, welche die Verhandlungen geprägt haben, hinter uns lassen und zügig zur Umsetzung übergehen müssen. Wir sind dafür gut gerüstet und können uns auf wissenschaftliche und technische Daten zur biologischen Vielfalt sowie auf die entsprechenden Instrumente und Mechanismen stützen.

Allerdings müssen mindestens zwei Bedingungen erfüllt sein, damit der neue Rechtsrahmen wirksam umgesetzt werden kann. Zum einen müssen nachhaltige finanzielle Mittel gesichert und insbesondere in Entwicklungsländern in Erhaltungsmassnahmen investiert und die Zusagen eingehalten werden. Dies wird für Volkswirtschaften, die sich von fossilen Brennstoffen abwenden und grossangelegte grüne Investitionen finanzieren wollen, von entscheidender Bedeutung sein. Gerade deshalb ist der COP-Beschluss über die Mobilisierung von Ressourcen so wichtig. Tatsächlich wird mit COP15 die Dringlichkeit einer verstärkten internationalen Finanzierung für die biologische Vielfalt anerkannt. Da die nötigen finanziellen Mittel angemessen, vorhersehbar und rechtzeitig fliessen müssen, beschlossen die Parteien, im Jahr 2023 einen zweckgebundenen und leicht zugänglichen GBF-Fonds einzurichten, um für die Ziele des GBF schnell zusätzliche Mittel aus allen Quellen zu mobilisieren und auszuzahlen. Das Aktionsziel 19 der Rahmenvereinbarung ergänzt diesen Beschluss, indem es dazu aufruft, „die finanziellen Mittel aus allen Quellen wirksam, rechtzeitig und leicht zugänglich erheblich und schrittweise zu erhöhen … und bis 2030 mindestens 200 Mrd. USD pro Jahr zu mobilisieren…”

Der Globale Rahmen für die biologische Vielfalt wird nur dann erfolgreich sein, wenn alle Akteure und Sektoren zu seiner Umsetzung beitragen. Das internationale Genf kann in dieser Hinsicht eine Schlüsselrolle spielen.

Zum anderen wird ein globaler Biodiversitätsrahmen nur dann erfolgreich sein, wenn alle AkteurInnen und Sektoren zu seiner Umsetzung beitragen. Die Beiträge von nichtstaatlichen AkteurInnen, der Zivilgesellschaft, von Frauen, jungen Menschen, indigenen Völkern, Unternehmen und anderen sind unverzichtbar, ebenso wie die Beiträge aller Sektoren und Bereiche der Gesellschaft - von Gesundheit, Handel und Ernährung bis hin zu Energie, Frieden und Sicherheit, um nur einige zu nennen.

Das internationale Genf kann in dieser Hinsicht eine Schlüsselrolle spielen. Die zahlreichen internationalen und zivilgesellschaftlichen Organisationen mit Sitz in Genf werden bei der Umsetzung der Globalen Rahmenvereinbarung für biologische Vielfalt in ihren eigenen Aktivitäten eine wichtige Rolle spielen und dazu beitragen, die sektorübergreifende Integration und Zusammenarbeit zu maximieren und die Massnahmen und Pläne auf das GBF abzustimmen. Damit schaffen sie auch Synergien mit den Zielen für nachhaltige Entwicklung und der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Mechanismen wie die UN-Umweltmanagementgruppe und ihr gemeinsamer UN-Ansatz zur Biodiversität, die 51 UN-Organisationen zusammenbringen, von denen viele Büros in Genf haben, könnten zu Drehscheiben für eine aktive Zusammenarbeit und Diskussion über die gemeinsame Umsetzung der Kunming-Montreal GBF werden. Dasselbe gilt für die rund 100 Organisationen, die dem Genfer Umweltnetzwerk angehören.

Obwohl unser Leben auf diesem Planten von der biologischen Vielfalt abhängt, kann ihre Erhaltung nicht allein die Aufgabe der sogenannten „Biodiversitätsgemeinschaft“ sein. Wenn wir die Beteiligung verschiedener Sektoren und Interessengruppen an diesen Bemühungen begrüssen und fördern, werden wir nicht nur das Bewusstsein für die Bedeutung der biologischen Vielfalt in der gesamten Gesellschaft schärfen, sondern auch eine kritische Masse engagierter BürgerInnen erreichen, die bereit sind, den dringend benötigten gesamtgesellschaftlichen Wandel mitzugestalten, für den die Globale Rahmenvereinbarung zur biologischen Vielfalt von Kunming und Montreal eintritt. Dies ist schliesslich unsere gemeinsame Verantwortung.


Über den Autor

Sonia Peña Moreno ist Direktorin des International Policy Centre am Sekretariat der International Union for Conservation of Nature (IUCN). Sie ist seit fast 20 Jahren in verschiedenen Funktionen mit der IUCN verbunden. Sie hat an der Universidad de los Andes in Bogotá (Kolumbien) Politikwissenschaften und moderne Sprachen studiert und 2002 am Geneva Graduate Institute einen Master in Internationalen Beziehungen erworben.


Disclaimer

Die in dieser Publikation zum Ausdruck gebrachten Meinungen sind die der Autoren. Sie geben nicht vor, die Meinungen oder Ansichten des Geneva Policy Outlook oder seiner Partnerorganisationen wiederzugeben.